Eine effektive Kühlung des Verbrennungsmotors ist die Voraussetzung für hohe Leistung. Als erster zeigt das der Konstrukteur Wilhelm Maybach vor 120 Jahren. Am 20. September 1900 meldet er den sogenannten Bienenwabenkühler zum Patent an: Viele Röhrchen nebeneinander, in der Frontalansicht einer Bienenwabe ähnlich, werden innen vom Fahrtwind durchströmt und kühlen dabei effizient das von der Verbrennung im Motor erwärmte Kühlwasser, das durch den Kühler geleitet wird. Das System ist als hoch aufragender Kühler ausgeführt. Premiere hat es im Mercedes 35 PS aus dem Jahr 1900. Form follows function – so wird der Hochleistungskühler zu einem zentralen Merkmal des modernen Automobils. Mehr noch: Der markante Wärmetauscher an der Fahrzeugfront wird für den Stuttgarter Automobilhersteller über Jahrzehnte hinweg zum prägenden Stilelement, und der Frontgrill ist es bis heute.
Die Vorgeschichte
Die ersten Fahrzeuge nach der Erfindung des Automobils durch Carl Benz im Jahr 1886 haben noch keinen geschlossenen Kühlkreislauf. Stattdessen verdampft das von der Motorabwärme erhitzte Kühlwasser. Das Nachfüllen des Vorrats gehört zum Fahren dazu – und ist mit steigenden Motorleistungen nicht mehr praktikabel.
Herausforderung angenommen
Wilhelm Maybach (1846 bis 1929) kommt in raschen Schritten als erster Automobilkonstrukteur zu einer Lösung. 1897 stellt der geniale Ingenieur an der Seite von Gottlieb Daimler den Röhrchenkühler vor. Maybach selbst beschreibt ihn als „Apparat zum Kühlen des die Zylinder von Explosionsmotoren umströmenden Wassers, bestehend aus einem flachen Gefäß, welche von einer großen Anzahl von Röhren durchzogen wird, wobei ein die Röhren beständig durchziehender, von einer geeigneten Ventilationseinrichtung erzeugter Luftstrom dem Kühlwasser die Wärme entzieht“. Die Röhrchen bestehen aus Messing, weil diese Legierung aus Kupfer und Zink eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit hat. Ihr Debüt hat die neue Kühlung im September 1898 bei dem weltweit ersten Straßenfahrzeug mit Vierzylindermotor: Der Motor des „Phönix“-Wagens entwickelt aus 2,1 Litern Hubraum zunächst 5,8 kW (acht PS).
Der Durchbruch
Am 20. September 1900 meldet Maybach den Bienenwabenkühler als „Kühl- und Kondensationsvorrichtung mit Querstromprinzip“ zum Patent an. Ab 8. August 1901 schützt das Deutsche Reichspatent (DRP) Nummer 122 766 die Erfindung. Es handelt sich um eine Fortentwicklung des Röhrchenkühlers. Wilhelm Maybach lässt aus 8.070 quadratischen und im Querschnitt sechs mal sechs Millimeter messenden Röhrchen einen neuartigen Kühler löten. Die größere Innenoberfläche der Vierkantrohre im Vergleich zu runden Röhren sowie die kleineren Spalte zwischen den einzelnen Rohren steigern die Kühlwirkung erheblich und machen nun deutlich höhere Motorleistungen möglich.
Hohe Effizienz
Im Vergleich zum „Phönix“-Wagen von 1898 sinkt der Wasserbedarf beim neuen und 26 kW (35 PS) starken Mercedes-Triebwerk aus dem Jahr 1900 um die Hälfte, von 18 Litern auf neun Liter je 100 Kilometer. Anders ausgedrückt: Je PS sind über diese Distanz nicht mehr 2,25 Liter Wasser zur Kühlung erforderlich, sondern nur noch 0,26 Liter. Ein kleiner Ventilator hinter dem Kühler verbessert zusätzlich die Kühlleistung bei langsamer Fahrt. So löst der neue Hochleistungskühler das automobile Kühlproblem dauerhaft – bis heute arbeiten Fahrzeugkühler nach genau diesem Prinzip.
Premiere
Seinen ersten Praxiseinsatz erlebt der Bienenwabenkühler im Mercedes 35 PS, dem epochalen neuen Hochleistungsautomobil der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG). Nach den hochbeinigen frühen Motorkutschen ist das Erscheinungsbild dieses ersten modernen Automobils der Geschichte richtungweisend und löst einen konstruktiven „Erdrutsch“ aus: Gestreckte Silhouette, hohe Motorleistung, Bienenwabenkühler, niedrige Motorhaube, langer Radstand, Kulissenschaltung, schräg stehende Lenkung, gleich große Räder an beiden Achsen und niedriges Gewicht sind wegweisende Kernmerkmale.
Stilprägend für Jahrzehnte
Das Fahrzeugdesign des Mercedes 35 PS wird stark durch den im Wind stehenden Kühler bestimmt und bekommt viele Nachahmer. So schreibt die „Allgemeine Automobil-Zeitung“ (Heft 51-52/1902) über den Mercedes-Simplex auf dem Pariser Automobilsalon: „Der Bienenkorbkühler, der zum Theile auch die Linienführung des Wagens beeinflußt, ist, nachdem er im letzten ,Salon‘ noch so gut wie unbekannt war, für die meisten französischen Constructeure vorbildlich geworden.“ Es folgt der vertikale Spitzkühler, für Jahrzehnte ebenfalls ein prägendes Designmerkmal. Ab dem Mercedes-Benz 170 (W 15) im Jahr 1931 ist ein Flachkühler hinter einer Maske montiert. Sie ist Teil der Motorhaube und mit ihrer Pfeilung dem Spitzkühler nachgebildet. Der Chromgrill wird zum zentralen Erkennungszeichen der Marke. Flacher, gestreckter und immer wieder neu gestaltet ist er es bis heute.
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