• Als Mercedes-Benz Werksrennfahrerin erfolgreich in Langstreckenrennen der 1960er-Jahre
  • Sieg im Großen Straßenpreis von Argentinien 1962 mit „Heckflosse“-Renntourenwagen
  • Sympathieträgerin und Vorbild für Frauen im Motorsport

Die ehemalige Mercedes-Benz Werksrennfahrerin Ewy Rosqvist ist am 4. Juli 2024 im Alter von 94 Jahren verstorben „Mercedes-Benz wird sich stets an diese außerordentliche Frau und ihre Leistungen erinnern und ihr ein ehrendes Andenken bewahren“, sagt Marcus Breitschwerdt, CEO der Mercedes-Benz Heritage GmbH. „Sie hat viel für den Motorsport geleistet – und zugleich das Bild von Frauen im Motorsport geprägt, gerade auch als Gesamtsiegerin gegenüber den Stärksten ihrer Zeit.“

Die Motorsportlerin wird am 3. August 1929 als Ewy Jensson in Stora Herrestad (Ystad, Südschweden) geboren. Ihre Eltern bewirtschaften einen Bauernhof, Ewy ist unter den fünf Kindern das einzige Mädchen. Nach der Landwirtschaftsschule inklusive Ausbildung in Großviehhaltung studiert sie zwei Semester Tiermedizin und qualifiziert sich als Veterinärassistentin. In diesem Beruf betreut sie ein großes Gebiet mit weit verstreut liegenden Höfen. Das resultiert in ihrem ersten Kontakt zu Mercedes-Benz: Ihr Vater kauft einen Typ 170 S (W 136), mit dem die junge Frau jeden Tag bis zu 200 Kilometer auf engen Naturstraßen zurücklegt.

Sie erreicht dabei immer bessere Fahrzeiten und schärft ihre fahrerischen Reflexe. In ihrer Autobiografie „Fahrt durch die Hölle“ schildert sie diese Zeit so: „Nach zwei Jahren fuhr ich bereits so gut, dass ich abends trotz all meiner Unterbrechungen in den Höfen meist anderthalb bis zwei Stunden eher ‚herum‘ war als meine Kolleginnen.“ Die Heirat mit dem motorsportbegeisterten Ingenieur Yngve Rosqvist im Jahr 1954 bringt die junge Schwedin in Kontakt mit dem Rallyesport: Sie begleitet ihren Ehemann 1954 bei der Rallye Mitternachtssonne (Svenska Rallyt till Midnatssolen) und übernimmt erstmals das Steuer: „Auf einigen Zwischenetappen durfte ich fahren, und das hatte mir so viel Spaß gemacht, dass ich beschloss, so bald wie möglich an einer Rallye teilzunehmen“, erinnert sich die Rennfahrerin später. 1956 startet sie dann zur Rallye Mitternachtssonne. Wenige Jahre darauf trennen sich die Wege von ihr und ihrem Ehemann.

Ewy Rosqvist engagiert sich mit großer Kraft im Rallyesport, gewinnt viermal den Damen-Cup bei der finnischen Rallye der 1.000 Seen und die Damenwertung zahlreicher anderer Rallyes in ganz Europa. 1959 erringt sie auf Volvo den europäischen Damen-Cup vor Pat Moss, der Schwester von Stirling Moss. Den Pokal nimmt sie im Januar 1960 bei der Siegerehrung der Rallye Monte Carlo aus den Händen von Fürstin Gracia Patricia von Monaco entgegen. Auch 1960 und 1961 gewinnt Ewy Rosqvist diesen Pokal. Zudem erhält sie 1959 und 1961 den Damenpokal im internationalen Rallyesport (Coupe des Dames).

Das erfolgreiche Rallyeengagement als private Leidenschaft lässt sich auf Dauer nicht mehr mit ihrem Berufsleben verbinden. So nimmt Ewy Rosqvist 1960 einen Vertrag als Werksfahrerin für Volvo an. Zwei Jahre später holt Mercedes-Benz die erfolgreiche Rallyepilotin zusammen mit ihrer Beifahrerin Ursula Wirth ins Stuttgarter Werksrennteam. Auf Mercedes-Benz 220 SE starten Rosqvist und Wirth erstmals zur viertägigen Svenska Rallyt till Midnatssolen (12. bis 16. Juni 1962) und sichern sich den Damenpokal. Es folgen Platz 6 beim 22. Rajd Polski (2. bis 6. Juni 1962) und Platz 12 bei der Rallye Liège–Sofia–Liège (29. August bis 3. September 1962). Beim „Coupe des Dames“ der Rallye der 1.000 Seen (17. bis 19. August 1962), die rund 2.000 Kilometer quer durch Finnland führt, steht das Damenteam Rosqvist/Wirth ganz oben auf dem Treppchen, bevor das Duo schließlich auch den Großen Straßenpreis von Argentinien (25. Oktober bis 4. November 1962) gewinnt. Dabei gelingt es Ewy Rosqvist, jede Etappe in Bestzeit zu beenden. Zudem erhöht sie die Durchschnittsgeschwindigkeit gegenüber dem Siegerteam des Vorjahres (Walter Schock und Manfred Schiek ebenfalls auf Mercedes-Benz 220 SE) von 121,234 km/h auf 126,872 km/h.

Auch in den folgenden Jahren sichert sich Ewy Rosqvist immer wieder exzellente Positionen bei renommierten Rallyes und Langstreckenrennen. Dazu gehören im Jahr 1963 Platz 16 im Gesamtklassement und der Gewinn des Damenpokals bei der Rallye Monte Carlo, Platz 12 bei der 11. Internationalen Rallye Akropolis, der Klassensieg bis 2.500 Kubikzentimeter beim Sechs-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring (mit Ursula Wirth und Eberhard Mahle) sowie Platz 3 beim Großen Straßenpreis von Argentinien hinter ihren Teamkollegen Eugen Böhringer und Klaus Kaiser sowie Dieter Glemser und Martin Braungart, jeweils auf 300 SE (W 112).

1964 erringt Ewy Rosqvist zusammen mit Eva-Maria Falk den Klassensieg bis 2.500 Kubikzentimeter bei der Rallye Monte Carlo, holt den 5. Platz bei der Internationalen Rallye Akropolis und sichert sich Platz 3 bei der Rallye Spa–Sofia–Liège. Ihre aktive Karriere beendet die schwedische Erfolgspilotin schließlich beim Großen Straßenpreis von Argentinien 1964, den sie mit Eva-Maria Falk auf Platz 3 abschließt. Im Juni des gleichen Jahres heiratet Ewy Rosqvist den damaligen Direktor der Motorsportaktivitäten von Mercedes-Benz, Baron Alexander von Korff in der Kapelle des Alten Schlosses in Stuttgart.

Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1977 lebt Baronin Ewy von Korff-Rosqvist noch einige Jahre in Stuttgart. Später kehrt sie nach Stockholm zurück, bleibt der Marke aber stets eng verbunden, auch als Markenbotschafterin von Mercedes-Benz Classic. Im Jahr 2019 berichtet sie in einem kurzen Filmbeitrag von ihrem Sieg beim Grand Prix in Argentinien im Jahr 1962. „Ewy Rosqvist: An Unexpected Champion“ kann über den YouTube-Kanal von Mercedes-Benz USA abgerufen werden.

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