• Vom Erste-Hilfe-Set bis zum Medical Car: das Automobil und die Medizin
  • Vor 50 Jahren: Ab 1970 gilt für neu zugelassene Personenwagen in der Bundesrepublik Deutschland die Pflicht zum Mitführen eines Kraftfahrzeugverbandskastens
  • „33 Extras“: Exponate der Automobilkultur im Mercedes-Benz Museum

Stuttgart. 160 Fahrzeuge und insgesamt 1.500 Exponate präsentiert die vielfältige Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums. Ein besonderer Bestandteil sind die „33 Extras“: Sie lassen am Beispiel oft überraschender Details Mobilitätshistorie und Automobilkultur lebendig werden. Die Newsletter-Reihe Mercedes-Benz Museum Inside lenkt den Blick auf die „33 Extras“ und bringt ihre Geschichten auf den Punkt. In der heutigen Folge geht es um den Kraftfahrzeugverbandskasten.

21/33: Der Verbandskasten

Immer dabei: Wenn im Straßenverkehr ein Unfall passiert, ist ein genormter Verbandskasten mit Erste-Hilfe-Material optimal, um Blessuren zu versorgen. Sogar lebensrettend kann ein solches Set mit Verbänden und anderem medizinischen Equipment sein. In Deutschland und anderen Ländern kommen erste eigens für diesen Zweck zusammengestellte „Auto-Verbandskästen“ in den 1920er-Jahren auf den Markt. Heute gibt es ein großes Angebot solcher Sets als Zubehör.

Der Verbandskasten: In den 1920er-Jahren

Pflicht seit 50 Jahren: Seit dem 1. Januar 1970 muss in der Bundesrepublik Deutschland laut dem Bundesverband Medizintechnologie jedes neu zugelassene Automobil einen Verbandskasten mitführen. Details regelt eine Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) von 1969 in Paragraf 35 h. Busse müssen sogar schon seit dem 1. August 1960 einen Verbandskasten an Bord haben. Bald wird die Pflicht auf Bestandsfahrzeuge ausgeweitet: Sämtliche bundesdeutschen Automobile sind seit dem 1. Januar 1972 verpflichtet, einen Verbandskasten mitzuführen. In der DDR schreibt die dortige StVZO in Paragraf 37 ebenfalls einen „Verbandskasten für Erste Hilfe“ an Bord von Automobilen vor. Ähnliche Regeln gelten heute in vielen Ländern.

Kraftfahrzeugverbandskasten in einer Mercedes-Benz Limousine der Baureihe 123 (Produktionszeit 1975 bis 1985)

Genau geprüft: Das Erste-Hilfe-Set des Automobils wird auch bei der Hauptuntersuchung (HU) kontrolliert. Vorgeschrieben ist das laut TÜV Rheinland erstmals ab dem 1. Januar 1971. Nach einer mehrjährigen Pause gehört das „Vorführen“ des Verbandskastens seit 2012 wieder fest zur HU. Die Prüfingenieure schauen dabei, ob der Verbandskasten komplett ist, und nehmen auch die Haltbarkeitsdaten des Materials unter die Lupe.

Kiste oder Tasche: Während die frühen Verbandskastenutensilien in stabilen Metallkästen untergebracht sind, setzen sich später solche aus Kunststoff und weiche Taschen aus einem robusten Gewebe durch. Die sterilen Inhalte der Erste-Hilfe-Sets sind jeweils durch individuelle Verpackungen geschützt.

Praktisches Wissen: Wirklich wirkungsvoll ist der Verbandskasten erst, wenn er auch qualifiziert benutzt werden kann. Deshalb ist es so wichtig, dass Autofahrer wissen, wie man Erste Hilfe leistet. Das stellt die StVZO sicher, indem ab 1970 auch ein Erste-Hilfe-Kurs für Führerscheinabsolventen vorgeschrieben wird. Nachgewiesen wird die erfolgreiche „Unterweisung in Sofortmaßnahmen am Unfallort“ insbesondere durch die Bestätigung einer der großen Hilfsorganisationen, die entsprechende Kurse anbieten. Es lohnt sich, dieses Wissen regelmäßig aufzufrischen.

Lebensretter im Automobil: Während der Ersthelfer seinen Verbandskasten im Automobil dabeihat, steht dem professionellen Rettungsdienst in seinen Fahrzeugen eine erheblich umfangreichere medizinische Ausstattung zur Verfügung. Typisch sind heute Rettungstransportwagen (RTW) und Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF). Eine beliebte Basis für RTW-Aufbauten durch spezialisierte Unternehmen ist seit 25 Jahren der Mercedes-Benz Sprinter. Aber schon davor sind Transporter der Marke mit dem Stern erfolgreiche Basisfahrzeuge.

Mercedes-Benz Typ 170 S-V und 170 S-D Krankenwagen mit Aufbau von Lueg. Seite aus einem Prospekt von 1954.

Schnelle Hilfe: Ganz außergewöhnliche Notarzteinsatzfahrzeuge sind die offiziellen Medical Cars der Formel 1. Seit 1996 stellt Mercedes-AMG kontinuierlich diese leistungsstarken T-Modelle. Eingeführt werden die Medical Cars in der Ära des legendären Formel-1-Chefarztes Eric Sidney „Professor Sid“ Watkins, Wegbereiter der Sicherheit in der Formel 1. Bis 2004 begleitet Watkins selbst die Rennen im Beifahrersitz des Medical Cars.

Aktueller Einsatz: Seit 2009 wird das Medical Car der Formel 1 von Alan van der Merwe (Südafrika) gefahren, und seit 2013 ist FIA-F1-Chefarzt Dr. Ian Roberts (Großbritannien) sein Beifahrer. Außerdem sitzen zwei Mediziner eines Krankenhauses nahe der jeweiligen Rennstrecke mit im Auto. Die Bedeutung des Medical Cars unterstreicht der Unfall von Romain Grosjean beim Großen Preis von Bahrain am 30. November 2020: Binnen Sekunden hält das Medical Car am Feuerball. Die Besatzung leitet zusammen mit Streckenposten effektive Erstmaßnahmen ein, die vermutlich das Leben des Rennfahrers retten.

Neustart mit Krankenwagen: Krankentransportwagen (KTW) auf dem Fahrgestell des Mercedes-Benz 170 V (W 136) gehören 1945 zu den ersten Fahrzeugen, die Mercedes-Benz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder bauen darf. Automobile als Krankenwagen von Hilfsorganisationen oder Kommunen setzen sich ab den 1920er-Jahren durch – zur gleichen Zeit als auch Autoverbandskästen aufkommen. Einen Mercedes-Benz 320 Krankenwagen (W 142) aus dem Jahr 1937 zeigt das Mercedes-Benz Museum im Raum Collection 3: Galerie der Helfer.

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