160 Fahrzeuge und insgesamt 1.500 Exponate präsentiert die vielfältige Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums. Ein besonderer Bestandteil sind die „33 Extras“: Sie lassen am Beispiel oft überraschender Details Mobilitätshistorie und Automobilkultur lebendig werden. Die Newsletter-Reihe Mercedes-Benz Museum Inside lenkt den Blick auf die „33 Extras“ und bringt ihre Geschichten auf den Punkt. In der heutigen Folge geht es um die Autokarte.
11/33: Die Autokarte
1 – Neue Horizonte
Der Erfolg des Automobils verändert den Blick der Menschen auf die Welt. Denn individuelle Mobilität über große Distanzen hinweg wird durch die Erfindung von Carl Benz so einfach wie nie zuvor. Das zeigt seine Ehefrau Bertha Benz bereits im August 1888 mit der ersten Fernfahrt der Automobilgeschichte von Mannheim nach Pforzheim. Aber die große Freiheit verlangt auch nach Orientierung. Diese liefern Autokarten – auf die Bedürfnisse der Kraftfahrer zugeschnittene Landkarten.
2 – Gezeichnetes Wissen
Geografische Karten stellen einen Ausschnitt der Welt dar und geben Antworten auf konkrete Fragen: Was sind die wichtigsten Verkehrswege in der Region? Welche Punkte entlang des Reisewegs sind von Bedeutung? Und wie stellt man den Zusammenhang her zwischen kartografischer Darstellung und wirklicher Umgebung?
3 – Massenmedium Straßenkarte
Autokarten kommen Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Neben Verlagen geben sie auch Automobilhersteller, Reifen- und Kraftstoffproduzenten sowie Automobilclubs heraus. Autokarten verbreiten sich zügig und sind damit ein echtes Massenmedium.
4 – Automobile Reiseführer
Passend zur Straßenkarte gibt es für touristische Fahrten auch spezielle Automobilreiseführer. So liefert das Handbuch der britischen Automobile Association (AA) bereits 1908 Hinweise zu Automobilreisen ins kontinentaleuropäische Ausland. Mercedes-Benz bringt in den 1950er- und 1960er-Jahren die Reihe „Sternfahrten“ heraus. Diese Automobilreiseführer folgen dem Motto „Reisen mit Nutzen und Genuss“.
5 – Platz sparen
Informationsgehalt und Handlichkeit – das sollte eine Landkarte in Einklang bringen. Was nicht immer einfach ist. Denn große Kartenblätter mit vielen Details sind zwar besonders informativ, aber ihre Nutzung ist umständlich, insbesondere bei Wind und Wetter. Die Seefahrer des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit nutzen deshalb häufig sogenannte Portolankarten aus widerstandsfähigem Pergament, die platzsparend zusammengerollt werden. Das Exponat der „33 Extras“ im Mercedes-Benz Museum wendet ebenfalls das Prinzip der Rollkarte an und greift es sogar im Namen auf: Es ist eine „Rollka“-Straßenkarte aus der ersten Hälfe des 20. Jahrhunderts. Sie wird bis zum gewünschten Bereich ausgezogen und arretiert. Auf Knopfdruck lässt sie sich später wieder einrollen.
6 – Genial einfach
Gedruckte Straßenkarten werden früher von Kartografen gezeichnet. Dabei wenden sie das Prinzip der sogenannten Generalisierung an, denn um die Karte möglichst gut nutzbar zu machen, werden die vorhandenen Informationen je nach Landkartenzweck unterschiedlich gewertet. Das bedeutet bei Autokarten: Das Straßennetz ist detailliert, farbig und deutlich abgebildet sowie mit wichtigen Angaben versehen, zum Beispiel mit Nummern der Fernstraßen oder von Auf- und Abfahrten. Karten etwa für Wanderer gewichten anders.
7 – Mit dem Finger reisen
Wer eine gedruckte Autokarte nutzt, geht immer auch auf eine imaginäre Reise. Denn auf der Karte findet man nicht nur den gewünschten Weg von A nach B. Vielmehr öffnet sich der Blick für geografische Entdeckungen und interessante Aspekte der Umgebung. Und die großen Zusammenhänge lassen sich viel besser erfassen als auf einem kleinen Bildschirm.
8 – Falten oder blättern, wischen oder sprechen
Für Autofahrer setzen sich zwei Varianten als Standard-Kartenmaterial mit verschiedenen Maßstäben durch – die Faltkarte und der Atlas. Ob Tourenplanung, das Nachschauen unterwegs und natürlich die Routenführung: Diese Aufgabe übernehmen heute Navigationsgeräte und Smartphones. Größter Unterschied neben der Bedienung durch Wischgesten und Sprachsteuerung: Die digitale Technik weiß genau, wo sich das Fahrzeug befindet, und passt die Darstellung kontinuierlich und auch entsprechend der Fahrtrichtung an.
9 – Navigation im Dialog
Das Medium Stimme gehört bei der Reise schon immer zur Orientierung. Dem Beifahrer dient die Autokarte als Grundlage für seine Rolle als Navigator. Manch emotional geführte Debatte über die Auslegung der kartografischen Informationen inklusive. Die Computerstimme des Navigationsgeräts bleibt davon unbeirrt. Sie bietet eine bequeme und intuitive Form der Nutzung digitaler Kartendaten. Doch auch hier sind präzise Vorgaben notwendig, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.
10 – Erfolgreiche Hinweise
Ebenfalls per Stimme dirigiert Beifahrer Denis Jenkinson im Mai 1955 den Rennfahrer Stirling Moss zum legendären Mille-Miglia-Sieg. Jenkinson trägt auf Basis des „Gebetbuchs“ vor, eines damals neuartigen Streckenaufschriebs, den sie beim Training vorbereitet haben. Clever: Dieses Roadbook befindet sich auf einer Papierrolle in einem Spezialgehäuse und wird kontinuierlich weitergedreht. Es ist übrigens ebenfalls eins der „33 Extras“.
11 – Von Autos für Autos
Mittlerweile tragen Autos selbst zur Erstellung von Straßenkarten bei. Die Daimler AG ist federführend an dem auf digitale Kartendaten spezialisierten Unternehmen HERE beteiligt, mit dem sie seit 2018 das Projekt HD Live Map betreibt. Die Idee dabei: Moderne Fahrzeuge mit ihrer leistungsfähigen Sensorik und Vernetzung sammeln reale Straßendaten, fügen sie in Echtzeit den kartografischen Informationen des Systems hinzu und stellen sie so auch anderen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung. Aktueller kann eine Landkarte nicht sein. Digitale Kartendaten sind immens wichtig für immer leistungsfähigere Assistenzsysteme und die Zukunft des autonomen Fahrens.